de gb
de gb

Zerstörungsfreie Vermessung von Antireflexbeschichtungen auf gekrümmten Oberflächen


 

Von Lothar Völker, Michael Schulz-Grosser, Jos. Schneider Optische Werke GmbH, Bad Kreuznach & Rüdiger Kubitzek, AudioDev GmbH, Heinsberg

Artikel herunterladen

Zur Minimierung störender Reflexionsverluste werden optische Komponenten wie z. B. Linsen und Filter heute mit hochwirksamen Antireflexbeschichtungen versehen. Die in der Qualitätskontrolle eingesetzten Messverfahren mittels scannender Spektralfotometer sind jedoch in der Praxis häufig nicht zerstörungsfrei und kaum an beliebigen Orten einer gekrümmten Oberfläche einsetzbar. Abhilfe schafft hier ein besonderes Messkopfdesign in Verbindung mit einem Diodenzeilen-Spektrometer.

1. Klassische Messmethode
Während die Beschichtungstechnik in den letzten Jahren beständig weiterentwickelt wurde und gleichzeitig auch das Qualitätswesen einen immer größeren Stellenwert eingenommen hat, sind die Verfahren zur Messung des spektralen Reflexionsgrades beschichteter Optiken weitgehend unverändert geblieben. Noch immer stellt bei Messungen in Reflexion der Rückseitenreflex ein ernst zu nehmendes Problem dar, weil er den zu messenden Vorderseitenreflex überlagert. Nicht zuletzt aus diesem Grund werden nach wie vor in den Beschichtungskammern Prüfmuster mitbeschichtet und anschließend in zeitaufwendigen Arbeitsschritten auf der Rückseite aufgeraut und geschwärzt, um die störenden Rückseitenreflexe zu unterdrücken1. Diese Prüfmuster können dann im Spektralfotometer vermessen werden, und die Messwerte werden als repräsentativ für eine ganze Beschichtungs-Charge angenommen.

Es liegt auf der Hand, dass bei diesen zerstörenden Tests keine später einzusetzenden Optiken im Sinne einer hundertprozentigen Qualitätskontrolle geprüft werden können. Wie problematisch das sein kann zeigt sich spätestens dann, wenn es einmal zu einer Beanstandung durch den Kunden kommt und für die fragliche Optik keine direkten Messdaten vorliegen. Verschärft wird die Situation noch dadurch, dass selbst besser ausgestattete Spektralfotometer oft nur gemittelt über einen relativ großen Messfleck in der Mitte der Substratoberfläche messen. So kann es mitunter durchaus vorkommen, dass die gemessenen Verläufe des spektralen Reflexionsgrades erheblich vom tatsächlichen Verlauf außerhalb der Linsenmitte abweichen (Bild 1).

Eine solche Abweichung kann insbesondere im Falle konvexer Linsen mit kleinem Krümmungsradius auftreten, die in einer Bedampfungsanlage mit herkömmlicher Kalotte ohne Planetengetriebe bedampft wurden. Aufgrund der unterschiedlichen Abstände von Linsenrand und Linsenmitte zur Aufdampfquelle, vor allem aber aufgrund der zum Linsenrand hin flacheren Auftreffwinkel werden dort – wie in Bild 2 illustriert – im Allgemeinen dünnere Schichten abgeschieden als in der Linsenmitte. 

Aus dieser azimutalen Schichtdickenverteilung, die in erster Näherung proportional zum Kosinus des Winkels α zwischen Flächennormale und Aufdampfrichtung ist, resultiert dann eine Blauverschiebung des spektralen Verlaufs des Reflexionsgrades der Antirefl exschicht [1]. Gerade bei der Verwendung solcher Linsen in Objektiven, bei denen der Anwender über das gesamte Sichtfeld möglichst geringe Lichtverluste wünscht, ist es deshalb besonders wichtig, den tatsächlichen Verlauf des spektralen Reflexionsgrades nicht nur in der Linsenmitte sondern auch im Randbereich der Linse verlässlich zu kennen.

 

1Die Notwendigkeit, die Prüflinge auf der Rückseite aufzurauen und zu schwärzen rührt nicht von der gekrümmten Oberfläche her, sondern von der Messung unter 0° Einfallswinkel, bei der eine räumliche Trennung von Vorder- und Rückseitenrefl ex prinzipiell nicht möglich ist. Es gibt weitere Gründe für den Einsatz von Prüfmustern, wie z.B. Kratzfestigkeitstests oder Klebebandtests zur Überprüfung der Haftfestigkeit der Beschichtung.

 

2Es ist sinnvoll, den Reflexionsgrad auch am Linsenrand für quasi senkrechten Einfall zu ermitteln, um Rückschlüsse auf die dortige Schichtdicke ziehen zu können. Tatsächlich trifft z.B. bei Objektiven das Licht im Randbereich im Allgemeinen nicht senkrecht auf die Linsenoberfläche sondern unter teilweise recht flachen Einfallswinkeln. Das führt zu einer zusätzlichen Blauverschiebung der Antireflexwirkung, die aber von leistungsfähigen Optikdesignprogrammen bereits berücksichtigt wird, wenn die Schichtdickenvariation zum Rand hin zuvor richtig eingegeben wurde.

Lens system

Bild 1: Spektrale Reflexionsgrade einer Einzelschicht aus MgF2 auf einer handelsüblichen plankonvexen Linse (Durchmesser 50 mm, Krümmungsradius ~50 mm) bei Messung in der Linsenmitte (rote Kurve) und im Randbereich (blaue Kurve). Das Spektrum vom Randbereich der Linse ist deutlich blauverschoben

 

2. Zerstörungsfreie Messung
Viele der oben beschriebenen Nachteile der klassischen, zerstörenden Messmethode lassen sich vermeiden, wenn man den Rückseitenreflex durch ein innovatives Messkopfkonzept ausblendet und das scannende Spektralfotometer durch ein Diodenzeilen-Spektrometer ersetzt. Bei einem solchen Gerätekonzept wird spektral breitbandiges Licht per Glasfaser zum Messkopf geleitet und dort nahezu senkrecht, z. B. unter einem Winkel von 8° zum Einfallslot, auf die Linsenoberfläche fokussiert (Bild 3).

Das von dort gemäß dem Reflexionsgesetz unter einem Winkel von -8° zum Einfallslot reflektierte Licht wird gesammelt und über eine weitere Glasfaser in einen Polychromator geleitet, in dessen Austrittsspaltebene eine Diodenzeile die spektrale Intensitätsverteilung aufnimmt. Mit Fokus- und Neigungssensoren lässt sich der Messkopf an jeder beliebigen Stelle über der Linsenoberfläche im richtigen Abstand und Winkel ausrichten, auch außerhalb der Linsenmitte2.

Bei dem gewählten Einfallswinkel von 8° wird eine ausreichende geometrische Trennung von Vorder- und Rückseitenreflex erzielt. Nur der Vorderseitenreflex wird auf die Empfangsoptik abgebildet. Außerdem können die Abweichungen gegenüber einer Messung unter 0° sowie der Einfluss der Polarisationsrichtung des einfallenden Lichts noch vernachlässigt werden. Ein zusätzlicher Raumfilter hilft bei der Trennung von Front- und Rückseitenreflex, und so lassen sich selbst Linsen mit einer Dicke von lediglich 2 mm noch gut vermessen, ohne dass deren Rückseite aufgeraut und geschwärzt werden müsste (Bild 4).

Als vergleichendes Messverfahren hängt die erreichbare fotometrische Messgenauigkeit wesentlich von der Genauigkeit des spektralen Reflexionsgrades der verwendeten Referenz ab. Es empfiehlt sich dabei, eine Referenz zu wählen, deren Reflexionsgrad im Bereich weniger Prozentpunkte in der Nähe des für die zu vermessenden Proben zu erwartenden Reflexionsgrades liegt. Besonders geeignet sind in diesem Zusammenhang unbeschichtete Glassubstrate bekannten Materials [2]. Dessen Dispersionskurve – und damit auch der spektrale Verlauf des Reflexionsgrades – kann unter Verwendung der in Glaskatalogen tabellierten Sellmeier-Koeffizienten mit sehr hoher Genauigkeit berechnet werden [3].

Die Messgenauigkeit lässt sich überprüfen, indem mit einem unbeschichteten Glassubstrat eines Materials referenziert und anschließend ein unbeschichtetes Glassubstrat eines anderen Materials vermessen wird. Erreicht wird eine fotometrische Genauigkeit von ca. ±0,5% des spektralen Reflexionsgrades der verwendeten Referenz. Wenn also z.B. als Referenz N-BK10 mit R = 4% gewählt wird, so wird eine Genauigkeit von R < ±0,02% erreicht.


3. Farbortbestimmung und Schichtdicke
Betrachtet man das vom Spektrometer aufgenommene Spektrum ϕ(λ) = S(λ)·ρ(λ) als Farbreizfunktion, wobei S(λ) das Spektrum der Lichtquelle und ρ(λ) den spektralen Refl exionsgrad bezeichnet, so können aus dieser Funktion, wie in Bild 5 gezeigt, unmittelbar die Normfarbwertanteile x und y (der Farbort) sowie die Tristimuluswerte X, Y und Z des Farbreizes der Beschichtung im CIE Normvalenzsystem von 1931 berechnet werden [4].

Die Bestimmung des Farbortes bei der Vermessung von Antireflexbeschichtungen ist durchaus sinnvoll, da sich auf diese Weise aus mehreren vermessenen Linsen solche selektieren lassen, die einen möglichst ähnlichen Farbort besitzen. Das ist zum Beispiel bei der Bestückung von Ferngläsern oder auch bei Brillengläsern wünschenswert. Mit dem vorgestellten Messverfahren kann aus dem Verlauf des spektralen Reflexionsgrades auch die Dicke einer Einzelschicht bestimmt werden, sofern der Brechungsindex (oder Indexverlauf) des Schichtmaterials bekannt ist. Bei Schichtdicken oberhalb von ca. 1 μm verwendet man hierzu eine Fourier-Transformation, bei dünneren Schichten eine Kurvenanpassung.

Diese Option der Schichtdickenbestimmung eignet sich darüber hinaus bei Kittgliedern auch sehr gut zur Messung der Kittschichtdicke, vorausgesetzt, dass sich diese zwischen Linsenelementen befindet, die jeweils mindestens 2 mm dick sind (Bild 6). Da der Messfleckdurchmesser deutlich kleiner als 1 mm ist und das Messverfahren die Messung an beliebigen Punkten gestattet, ist es sogar möglich, auf diese Weise die Homogenität der Kittschicht zu untersuchen.


4. Zusammenfassung und Ausblick
Das vorgestellte, innovative Verfahren ermöglicht durch ein intelligentes Messkopfkonzept die sehr schnelle, direkte und zerstörungsfreie Vermessung des spektralen Reflexionsgrades an jeder Stelle gekrümmter, AR-beschichteter Linsenoberfl ächen.

Der Rückseitenreflex der Probe wird ausgeblendet. Aus der Möglichkeit, die tatsächlichen Produkte und nicht nur spezielle Prüfmuster zu messen, resultiert ein vielfacher zusätzlicher Nutzen für Qualitätskontrolle, Entwicklung und Produktion. Das Messverfahren erreicht dabei ohne aufwendige Probenpräparation eine ähnlich hohe Genauigkeit wie konventionelle Messungen mit hochwertigen Spektralfotometern und bietet sich somit als Alternative oder sinnvolle Ergänzung zur klassischen Messmethode an.

Typisches Messergebnis

Bild 5: Typisches Messergebnis mit Bestimmung der Normfarbwertanteile x und y sowie des Tristimuluswertes Y (Helligkeit) für einen 2° Normalbeobachter und Normlichtart D65

Literaturhinweise:
[1] M. Schulz-Grosser, Reale Transmission von Objektiven und optischen Systemen, Vortrag, 7. Arbeitstreffen des AK DUV/VUV-Optik, Dresden, 28. Sept. 2004
[2] H. Frey, G. Kienel (Hrsg.), Dünnschichttechnologie, VDI Verlag, Düsseldorf, 1987, S. 282
[3] J. Bliedtner, G. Gräfe, Optiktechnologie, Fachbuchverlag Leipzig, 2008, S. 49
[4] M. Richter, Einführung in die Farbmetrik, Walter de Gruyter, Berlin 1981, 2. Aufl ., S. 68 ff

Material float

Bild 2: Der Materialfluss Φ der Aufdampfmaterialien durch eine Einheitsfläche senkrecht zur Verbindungsachse zur Aufdampfquelle ist konstant. Die selbe Menge an Aufdampfmaterial verteilt sich aber auf der Linsenachse und am Linsenrand auf unterschiedlich große Oberflächenbereiche

 

 

Prinzip des Messkopfs

Bild 3: Prinzipbild des Messkopfes, zur Vereinfachung sind Fokus- und Neigungssensor sowie der transmittierte Strahl nicht dargestellt

 

 

Optische Messung

Bild 4: Die berührungslose optische Messung gelingt auch bei relativ dünnen Linsen, ohne dass deren Rückseite dazu aufgeraut und geschwärzt werden müsste

 

 

Messkurven

Bild 6: Typische Messkurve zur Bestimmung der Kittschichtdicke eines Kittgliedes. Das reflektierte Spektrum zeigt die für Schichten im Mikrometerbereich typische interferenzbedingte Modulation

 

 

Kontaktieren Sie uns

Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, wenn Sie Fragen haben. Unser engagiertes Team steht Ihnen bei jedem Schritt zur Seite.
Ganz gleich, ob Sie Hilfe bei der Produktauswahl, technischen Spezifikationen oder allgemeinen Fragen benötigen.

Jos. Schneider Optische Werke GmbH
Ringstraße 132
55543 Bad Kreuznach | Deutschland

Tel: +49 (0) 671 601 205
isales(at)schneiderkreuznach.com
Kontaktformular